Das DVZ hat über 70 unbesetzte Stellen. Warum fehlen so viele Fachkräfte?
N. Spangenberg: Diese Zahl ist natürlich sehr hoch. Unser Bedarf hat mehrere Gründe: Zum einen handelt es sich hierbei um viele nachzubesetzende Stellen. So spüren wir sukzessive den Baby-Boomer-Effekt, haben also steigende altersbedingte Abgänge, die zu kompensieren sind. Und deren Besetzung ist aktuell sehr zeitaufwendig. Zum anderen haben wir generell einen hohen Bedarf an IT-Fachkräften für die vielfältigen Digitalisierungsvorhaben, die wir für die Landesverwaltung umsetzen. Trotz dieser anhaltend hohen Zahl an offenen Stellen haben wir 2022 in einem schwierigen Bewerbermarkt über 90 neue Kolleginnen und Kollegen im DVZ eingestellt. Hier kommt uns entgegen, dass wir einer der großen IT-Arbeitgeber in Mecklenburg-Vorpommern sind und unsere Sichtbarkeit deutlich vergrößert haben.
Welche Aktivitäten des Personalrecruiting gibt es bereits oder sind noch geplant, um dem Mangel an qualifizierten IT-Expert*innen entgegenzuwirken?
N. Spangenberg: Wir betreiben ein konsequentes Multi-Channel-Recruiting. Das heißt, wir bewegen uns auf sehr vielen Kanälen, um potenzielle Bewerber*innen zu erreichen. Unser Schwerpunkt liegt auf der Ansprache über Social Media, Karriereportale, Online-Stellenanzeigen oder Google-Anzeigen. Neben diesem e-Recruiting sind aber auch die traditionellen Kanäle für uns wichtig, wie die Präsenz auf Karrieremessen, Anzeigen in lokalen Magazinen oder sogar Bandenwerbung bei regionalen Sportevents. Zusätzlich ist das Active Sourcing, also das direkte Kontaktieren von Kandidat*innen über Netzwerke wie Xing oder LinkedIn, für uns relevant. Ergänzt wird das Ganze durch unser DVZ-internes Empfehlungsprogramm, über das wir schon viele neue Mitarbeitende gewinnen konnten. Neu hinzugekommen sind unsere Recruiting-Aktivitäten im Hochschulmarketing, um Absolvent*innen bereits vor ihrem Jobeinstieg zu erreichen. Unser Multi-Channel-Recruiting hilft uns außerdem, verstärkt standortübergreifend Mitarbeiter*innen einzustellen – vor allem in unserer Rostocker-Außenstelle. Gezielter suchen wir inzwischen auch Mitarbeitende im Großraum Hamburg, für die wir eventuell einen eigenen Standort eröffnen würden. Dies ist kein Zufall: Hamburg ist die Hochburg für IT-Fachkräfte. Deren Anteil an den Erwerbstätigen ist im Bundesvergleich mit Abstand am höchsten, in M-V liegt er eher im unteren Bereich. Wir müssen uns eben stark an den Marktrealitäten orientieren, einen Arbeitgebermarkt wird es im IT-Umfeld lange nicht mehr geben.
Welche Rahmenbedingungen müssen Ihrer Meinung nach gegeben sein, um den IT-Fachkräftemangel in Deutschland zu verringern?
N. Spangenberg: IT darf kein Nischendasein haben. Bereits in der Schule sollte Informatik einen viel höheren Stellenwert im Unterricht einnehmen. Unser Alltag ist komplett IT-geprägt und doch wissen viele Schüler*innen nicht, wie beispielsweise eine Website wirklich funktioniert. Die Bedeutung und Attraktivität von den sehr vielfältigen IT-Berufen sollten schon so früh wie möglich im Fokus stehen – vor allem bei Mädchen, die in den IT-Ausbildungen leider noch unterrepräsentiert sind. Das DVZ selbst hat im letzten Jahr ein zehntägiges Bootcamp mit zwölf Schüler*innen initiiert, bei dem sie erste Programmiererfahrungen sammeln und mehr über die Arbeit im IT-Bereich erfahren konnten. Davon brauchen wir mehr in der Schule. Darüber hinaus müssen wir dem Fachkräftemangel durch gezielte Migration von IT-Profis entgegenwirken. Es gibt nicht überall auf der Welt einen Mangel an IT-Spezialist*innen, sondern vorrangig in Europa, Asien und in den USA. Doch für erfolgreiche Migration benötigen wir gesetzliche, unbürokratische Rahmenbedingungen, die es uns als IT-Arbeitgeber ermöglichen, relativ schnell und unkompliziert ausländische Fachkräfte außerhalb der EU zu rekrutieren. Die Politik hat das bereits erkannt und ebnet langsam den Weg. Bis dahin liegt es an uns, noch attraktiver für IT-ler*innen zu werden und sie über die richtigen Kanäle zu erreichen.
Vielen Dank für das Gespräch!