Wenn ich als Unternehmen oder Behörde also sage: „Das klingt interessant, ich habe eine Idee“, klopfe ich einfach bei Ihnen an?
LÖFFLER: Genau. Wichtig ist, dass man ein neues KI-Produkt entwickeln und einsetzen will. Uns geht es um das Forschungsinteresse, bei dem das Unternehmen einen spezifischen Anwendungsfall kreieren will und nicht darum, bestehende Produkte einzuführen.
FELIX HAUPTMANN: Um KI optimal einsetzen zu können, müssen im Vorfeld zahlreiche Daten gesammelt werden. Also gehen wir gemeinsam mit den Forschenden auf das Unternehmen zu und fragen: „Was wollt ihr machen? Was ist realistisch und was gibt es schon?“
Wie bringen Sie Unternehmen mit der Wissenschaft zusammen?
LÖFFLER: Das kann ganz unterschiedlich aussehen. Wenn Unternehmen noch nicht genau wissen, wie sie mit KI arbeiten wollen, geht es oft mit kleinen Machbarkeitsstudien los, bei denen die Universität studentische Projekte ausschreibt. Bei größeren Vorhaben suchen wir Forschungspartner*innen, wie etwa Professor*innen oder Doktor*innen im Land. Wir unterstützen beim Schreiben von Fördermittelanträgen und beraten zu Fördermöglichkeiten, meist über das Technologie-Beratungs-Institut (TBI) in Schwerin, das kleinen Unternehmen bei der Digitalisierung hilft.
Welche Unternehmen oder Branchen kommen auf Sie zu?
HAUPTMANN: Sehr verschiedene. Wir arbeiten zum Beispiel mit einer Firma, die sich mit Klima- und Raumlufttechnik beschäftigt. Es geht um die Energieoptimierung großer raumlufttechnischer Anlagen mit KI. Mit Sensorik und KI kann das Unternehmen prüfen, wann, wie und wo gelüftet wird. So wird gesehen, wann Anlagen über- oder unterdimensioniert sind, um beim Umbau Energie und Geld zu sparen. Im aktuellen Projekt erweitern wir das − die raumlufttechnische Anlage soll vorhersagen, wann Filter in der Anlage verstopfen oder Ventilatoren ersetzt werden müssen.
LÖFFLER: Es klopfen auch viele Unternehmen aus der Gesundheitsbranche bei uns an, da sind wir in Rostock gut aufgestellt.
HAUPTMANN: Eine Firma hat beispielsweise schon eine Plattform gebaut, wo Mitarbeitende ihre gewünschten Dienstzeiten in ein Wunschbuch eintragen, sodass der Schichtplaner alle vor Augen hat. Jetzt soll die Dienstplanung automatisch erfolgen und dabei alle Wünsche, Rahmenbedingungen und Arbeitsvorschriften berücksichtigen. Schließlich ist diese Planung zeitaufwendig.
Wo sehen Sie denn die größten Potenziale für den Einsatz von KI im Verwaltungsbereich?
LÖFFLER: Die OCR und die automatische Text-Transkription sind die wichtigsten. Und: „RPA”, Robotic Process Automation, ist ein großes Thema. Damit können ähnliche Rechnungen oder E-Mails automatisch einsortiert und teils beantwortet werden. Die KI kann den Sachbearbeiter*innen viel Arbeit abnehmen und dazu beitragen, dass die Verwaltung weniger überlastet ist. Die schnellere Bearbeitung von Anfragen erhöht dazu der Bürgerservice.
Das klingt eher nach Automatisieren, Vereinfachen, Standardisieren als nach großer Vision?
LÖFFLER: Ich glaube, man muss tatsächlich realistisch anfangen. HAUPTMANN: Am schönsten wäre es, wenn Menschen wenig monotone Arbeit leisten müssen. Wenn Prozesse von vornherein digitalisiert sind und Systeme miteinander kommunizieren. In der Verwaltung werden verschiedene Softwareprodukte eingesetzt. Ideal wäre es, wenn diese miteinander kommunizieren würden, sodass Dokumente nicht manuell von einem System in eine andere Form konvertiert werden müssen.
LÖFFLER: Das ist auch die Reihenfolge, die wir Unternehmen oder Verwaltungen nahelegen: Im ersten Zug sollten die Prozesse analysiert und optimiert werden. Erst dann kann sinnvoll digitalisiert und anschließend KI draufgesetzt werden.
Eines der großen Probleme von Verwaltungen ist Personalmangel. Gleichzeitig brauchen sie Expert*innen, die sich mit Künstlicher Intelligenz auskennen.
LÖFFLER: Und diese Expert*innen brauchen sie bereits jetzt. Ein Unternehmen oder eine Verwaltung muss ihre Angestellten schulen, egal ob sie mit einer Software oder KI arbeiten. Gerade bei Verwaltungstätigkeiten ist die KI nicht so kompliziert. Da geht es darum, dass Vorgänge schneller automatisiert ausgeführt werden.
HAUPTMANN: Mit Blick auf ChatGPT möchte ich noch einmal betonen: Die KI kann überzeugend wirken, aber trotzdem falsche Sachen generieren. Wichtig ist, dass Leute die Fallstricke von KI kennen.
LÖFFLER: Grundsätzlich bietet die KI nur Entscheidungshilfen, sie soll nicht die Entscheidung treffen. Die Sachbearbeiter*innen müssen die Ergebnisse und Entscheidungen prüfen, vielleicht auch hinterfragen. Klar ist: Es ist aufwendig, KI zu integrieren. Es gibt Produkte von der Stange, aber bei diesen besteht immer Anpassungsbedarf. Hinzu kommt, dass Unternehmen und Verwaltungen gezwungen sind, Kapazitäten freizuschaufeln, um KI umzusetzen.
Verwaltungen verfügen über viele Daten. Wie kann KI helfen, um etwa für bessere Luft in der Stadt zu sorgen, Grünflächen zu planen oder vor Hochwasser zu schützen?
HAUPTMANN: Das wird teilweise schon gemacht. Wir haben ein Projekt mit einem Energiedienstleister, in dem es um die Fernwärmeplanung und darum geht, welche Baureihenfolge sich am besten eignet. Und bezüglich besserer Luft: Da kann man viel mit Sensoren arbeiten und erfassen, wie es in der gesamten Stadt um die Luftqualität steht, wie die Wärmeverteilung ist, ob es Glutherde oder kühle Zonen gibt. Über eine Datenanalyse könnten wir aufzeigen: Was bedingt eine gute Stadtumgebung? Wäre es möglich, das zum Beispiel auf die Verkehrs- oder Fahrradwegplanung auszuweiten?
LÖFFLER: KI könnte auch Bewegungsströme in der Stadt analysieren, um Grünflächen oder Freizeitbereiche besser zu planen. Das sind Chancen, die Verwaltungen nutzen sollten. Natürlich braucht das Personal, Zeit, Motivation, Geld und auch Marketing, weil das nicht die klassische Vorstellung von Verwaltung ist, die die Bürger*innen im Kopf haben. Aber es ist eine schöne Zukunftsvision.